Wenn Sie einen Tierbesitzer fragen, ob Tiere eine Seele haben, antwortet der bestimmt: Natürlich haben Tiere eine Seele! Ich pflichte ihm voll und ganz bei. Aber: So manche Theologen und Wissenschaftler sind da anderer Meinung.
„Jede Kreatur hat eine Seele“
Die Frage, ob Tiere eine Seele haben, ist uralt. Tierheilpraktiker betrachten Körper, Geist und Seele ganzheitlich. Auch Naturvölker und Schamanen sprechen den Tieren Geist und Seele zu. Der griechische Philosoph Pythagoras stellte fest: „Die Tiere teilen mit uns das Privileg eine Seele zu haben“ und Martin Luther glaubte, dass „auch die Hündelein in den Himmel kommen und jede Kreatur eine Seele hat.“
Beim Tiergottesdienst ist das Gotteshaus meist voll. Trotzdem ist die Frage nach der Seele im Tier eine Streitfrage unter Theologen, obwohl es Franz von Assisi, den Schutzpatron der Tiere, gab. Laut biblischer Schöpfungsgeschichte hat Gott Mensch und Tier erschaffen und dabei hat er sich bestimmt etwas gedacht.
Die Wissenschaft sucht Beweise: Gefühle und Bewusstsein
Auch die Wissenschaft ist nicht immer einig beim Thema Tierseelen. Es werden Beweise gesucht. Gefühle sind demnach eine Voraussetzung für Bewusstsein und damit für das, was wir – losgelöst von der religiösen Bedeutung – Seele, Geist und Psyche nennen. Um eine Seele zu haben, sind für die Wissenschaft drei Dinge Grundvoraussetzung: Gefühle, Gehirnleistung und Erinnerungsvermögen. Dann schauen wir uns das eben ganz genau an. Sorry, das dauert jetzt…
Es ist keine Vermenschlichung, wenn ich sage: Tiere haben Gefühle. Sie werden ärgerlich, haben Angst, trauern, fühlen sich einsam, lieben ihren Menschen und freuen sich. Hinzu kommen fürsorgliche Muttergefühle und Berichte von Tieradoptionen. Letzteres erfordert Mitgefühl und Zuneigung.
Hinweise auf Körperbewusstsein und Wohlgefühl
Längst hat die Wissenschaft heraus gefunden: Tiere können Schmerz empfinden. Außerdem kam man dem Glückshormon Serotonin auf die Spur, das nicht nur für den Menschen reserviert ist. Ich bin überzeugt, dass Tiere ein Bewusstsein für ihren Körper und ihre Gefühle haben. Ein Oktopus weiß genau, wo er durchpasst. Wenn sich ein Hund gut fühlt, wälzt er sich und beim Schubbern sagt sein Gesichtsausdruck: Mir geht es saugut. Geht es ihm nicht gut, zieht er sich zurück.
Erkennt sich das Tier und sein eigenes Ich?
Dennoch behaupten manche Wissenschaftler, Tiere haben kein Ich-bezogenes Bewusstsein. Gerne wird erklärt, dass Tiere das Spiegelbild für einen Artgenossen halten. Ich bin mir da nicht so sicher: Als mein Hund Kimba sich das erste Mal in der Spiegeltür meines Schrankes sah, ist er erschrocken. Dann wollte er heraus finden, was das für ein Hund ist. Er stupste das Spiegelbild an, setzte sich irritiert hin und beobachtete den Hund. Schon beim nächsten Mal stapfte er ungerührt am Spiegelbild vorbei. Er hatte offenbar begriffen: Das bin ich. Jetzt der Vergleich: Hängen Sie einem Baby einen Spiegel übers Bett. Es wird das Ding anschubsen, danach greifen und es erkunden. Genau das hat Kimba auch getan. Und: Wie ergeht es uns, wenn wir in einem fremden Raum etwas tun, uns umdrehen und plötzlich einen Menschen sehen? Wir erschrecken – bis wir realisieren: Da hängt ein Spiegel und das ist mein Spiegelbild.
Tiere schauen sich wie Kinder vom Menschen etwas ab
So viel zum Dauerbrenner-Thema Spiegelbild, das übrigens auch Menschenaffen, Elefanten und Delfine erkennen. Doch wie ist das mit den Leistungen des Gehirns? Ich gebe zu: Der Denkprozess läuft beim Hund anders ab als beim Menschen. Tiere verknüpfen Kommando, Aktion und Lob und irgendwann sitzt das Erlernte. Aber: Tiere lernen auch durch Abschauen und das tun Kinder auch. Es gibt Hunde, die Schubladen öffnen, Lichtschalter bedienen oder sich sogar zudecken, ohne dass man es ihnen beigebracht hat. Sie haben es sich einfach abgeschaut.
Tiere können selbstständig handeln und Probleme lösen
Es gibt oberschlaue Tiere: Affen können Bilder zuordnen, mit Buchstabentafeln kommunizieren und Werkzuge benutzen, um an Nahrung zu kommen. Krähen werfen Nüsse auf die Straße, damit sie vom Autoreifen überrollt und geknackt werden. Auf Ameisenstraßen bildet sich kein Stau, weil sie Abstand halten und das Tempo beibehalten. Und unsere Haustiere verstehen erstaunlich viele Worte, die wir häufig benutzen. Die Liste könnte ich noch lange fortsetzen. Fest steht: Wenn Tiere eine Aufgabe lösen wollen, handeln sie auch selbstständig, wie etwa das Erdmännchen, das ein Ei gegen einen Stein schleudert, damit es zerbricht und das leckere Innere gefressen werden kann.
Es zählt das Hier und Jetzt
Was unterschiedlich ist zum Menschen: Tiere leben – mit wenigen Ausnahmen – nicht in der Vergangenheit und machen sich keine Gedanken um die Zukunft. Sie leben vorwiegend im Hier und Jetzt. Die Ausnahmen beschränken sich auf einschneidende Erlebnisse und das Erlernte in der Prägephase. Schlechte Erfahrungen und was sie in den ersten Lebenswochen lernen, vergessen sie nie. Was die Zukunft angeht: Zukunftspläne überlassen sie den Menschen. Clever, oder?
Gelernt wird auch durch Erfahrung: Wollte Hund oder Katze einmal mit der Pfote einen Igel erwischen, hat das sicherlich gepiekt und die Fellnase merkt sich diese Erfahrung. Schlimme Erfahrungen, wie etwa ein Unwetter, ein Unfall oder gewalttätige Menschen – auch das merken sich Hunde und Katzen. Oft wird ein Urinstinkt wach, wie etwa bei einem Brand: Nix wie weg von Feuer!
Auch wir Menschen haben noch Instinkte aus der Zeit, in der wir in Höhlen lebten und jagen mussten. Beispiel Pareidolie: Wenn wir Unbekanntes sehen, vervollständigt das Gehirn dieses Bild mit Gesichtern oder Objekten, die es kennt. So sehen wir z.B. in den Wolken auch mal ein Tier. Warum tut das Gehirn so etwas? Es ist auch auf Alarm programmiert: Als Höhlenmenschen haben wir uns bei jedem Geräusch umgedreht, um kein gefährliches Raubtier zu übersehen.
Hund, Katze und Co. sprechen auf ihre Art
Einige Wissenschaftler sagen, Tiere haben keine Seele, weil sie nicht sprechen können. Ich lege ein Veto ein: Das Sprechen ist anatomisch nicht möglich, aber Tiere sprechen auf ihre Art: Bei Singvögeln, Elefanten, Walen und Schimpansen hat man ein breites Vokabel-Repertoire festgestellt. Auch Hund, Katze und Co. sprechen mit ihren Artgenossen. Nur weil wir die Worte nicht verstehen, heißt das nicht, dass sie nicht sprechen können. Und mal ehrlich: Verstehen Sie chinesisch?
Der Blick in die Tierseele
Die Frage, ob Tiere eine Seele haben, wird die Menschheit noch lange beschäftigen. Ich habe meine Antwort gefunden. Tiere sind Individuen mit eigenem Willen, Gefühlen, Grips und Seele. Jedes Tier hat eine eigene Persönlichkeit, eigene Schwächen und Stärken, eigene Vorlieben und Abneigungen, eigene Ängste, eigene Arten zu handeln und zu lernen. Und Tiere sind Energie, die auch nach dem Tod erhalten bleibt und eng mit der Seele verbunden ist. Darüber habe ich in enem früheren Beitrag geschrieben.
Tipp: Sehen Sie mal Ihrem Vierbeiner in die Augen: Sie werden in seine Seele blicken können. Versprochen. Text/Foto: Marion Friedl