Grenzenlose Seelenpfade

Irrgarten gegen Geister: Die Winchester Villa

Wie viele Kamine haben Sie und wie viele Schlafzimmer? Bevor Sie anfangen zu zählen: Sparen Sie sich die Mühe. Höchstwahrscheinlich kann keiner von uns mit der Winchester Villa in San José (Kalifornien) mithalten.

Ein Erdbeben machte aus 600 Räumen 161 Zimmer

Ein kleiner Einblick in die vierstöckige Villa von Sarah Winchester: Insgesamt gibt es 161 Räume, davon 40 Schlafzimmer und etwa 30 Bäder. 47 Kamine machen gemütliches Feuer und 17 Schornsteine pusten den Rauch raus. Neidisch? Ich nicht, denn wer auch immer die Winchester Villa bewohnt, der muss 10.000 Fenster putzen. So gesehen: Das muss man echt nicht haben – obwohl ein prächtiges, buntes Fenster den Raum bei Sonnenschein in hübsche Regenbogenfarben taucht. Zwischenzeitlich war die Villa sogar noch größer: Einst verteilten sich laut Wikipedia rund 600 Räume auf sieben Stockwerke. Ein Erdbeben 1906 dampfte die Villa dann auf mickrige 4 Etagen und 161 Räume ein.

Sarah Winchester trickste 38 Jahre lang Geister aus

Nun fragt man sich natürlich, warum man ein Mensch so viele Räume hat. Verständlich, aber wenn man dauernd in einem anderen Schlafzimmer nächtigen will, damit man von den Geistern des Hauses nicht gefunden werden will, dann sind 40 Schlafzimmer doch irgendwie angemessen, oder?

Als Witwe des Gewehr-Herstellers William Winchester wurde von Ängsten geplagt. Sie fürchtete die Rache der Menschen, die mit den Gewehren ihre Mannes getötet worden waren. Genauer gesagt, erwartete sie, dass sie die tödliche Rache im Schlaf ereilen würde. Naja, wer weiß schon, auf welche Ideen die Verblichenen als Geister so kommen? Und wenn man 20 Millionen Dollar und wertvolle Aktien geerbt hat, dann kann man locker ein wenig Vorsorge treffen und die Geister in die Irre führen.  Sarah Winchester konnte es sich leisten, das Haus ab 1884 fortlaufend an- und umzubauen und mit raffinierten Tricks auszustatten.

Zum Erliegen kamen die Bauarbeiten erst 1922 und das nicht etwa, weil das Geld  oder die Ideen ausgingen. Am 5. September 1922 starb Sarah Winchester. Ach ja, nebenbei bemerkt: Sie starb im Schlaf. Hatte sich etwa doch ein Geist im Labyrinth zurecht gefunden? Man weiß es nicht…

Treppen ins Nichts und Türen zum Abgrund

Sarah Winchester hinterließ eine Villa, die als Spukhaus bekannt ist, seit 1923 zum Museum wurde und 1974 als Baudenkmal gilt. Zu den Räumen gehören auch ein Raum, in dem Seancen abgehalten wurden, und ein großer begehbarer Kühlschrank.

Wer die Winchester Villa besucht, sollte jedoch einen guten Orientierungssinn haben. Da führen schon mal Treppen in die Irre oder enden einfach an der Decke. Das Zählen der Stufen wird auch zur Heruasforderung, denn es gibt Treppen, die mehr Stufen nach oben haben als nach unten. Wer Türen öffnet, sollte dies vorsichtig tun. Es ist harmlos, wenn hinter einer Tür einfach nur eine Wand befindet. Hinter einer anderen Tür lauert nämlich ein Abgrund und bei extrem vielen Türen im Haus, weiß man garantiert nicht, hinter welcher Tür es abwärts geht.

Zwei Haarlocken im kniffligen Tresor

Insgesamt ist ein verflixt unübersichtliches Labyrinth entstanden. Zu Lebzeiten wurde in der Presse immer wieder spekuliert, was mit Sarah Winchester wirklich los war: War sie der okkulten Welt verfallen? War sie wahnsinnig? War sie nur exzentrisch? Spukte es tatsächlich in ihrem Zuhause? Oder war es viel harmloser und sie wollte nicht die Geister, sondern die ungeliebten Verwandten mit Baustellencharme abschrecken? Nur eines scheint sicher zu sein: Sie muss ihren Mann und ihren Sohn sehr geliebt haben. Es gibt einen Tresor, der natürlich nicht nur mit einer Tür zu öffnen war. Hinter der letzten Tür fand man zwei Haarlocken von ihrem verstorbenen Mann und ihrem ebenfalls verstorbenen Sohn.

Ein Haus macht Filmkarriere

Die sonderbare Winchester Villa hat sogar Fimkarriere gemacht. Bei Stephen King wurde es zum „Haus der Verdammnis“, in den Jugendkrimis „Die drei ???“ ist es das Marriott-Haus des Schreckens und auch in der Serie „Supernatural“ taucht das Haus auf. Also, wer Lust hat auf paranormale Erfahrungen kann natürlich nach San José in den USA reisen. Oder für den Anfang preisgünstig einen Blick in einen Gruselfilm riskieren. Da schleppt man sich dann wenigstens keinen bösen Geist ins eigene Haus ein. Wer will schon ein Leben lang das Zuhause umbauen… Text: Marion Friedl / Foto: Egor Shitikov Pixabay