Grenzenlose Seelenpfade

Spiegel als Tor zum Jenseits und Schutz vor dem Bösen

„Spieglein, Spieglein an der Wand: Wer ist die Schönste im ganzen Land?“ Im Märchen konnte der Spiegel sprechen und der Königin über die Schönheit von Schneewittchen hinter den Bergen bei den sieben Zwergen berichten. Der Spiegel hat Menschen von jeher fasziniert und er wird auch als Tor zum Jenseits genutzt.

Wer schaut mich im Spiegel an?

Beim Blick in den Spiegel stellt der eine fest, dass die Frisur sitzt und andere fragen sich: Wer zum Geier ist die faltige Frau? Gut, wenn es das eigene faltige Spiegelbild ist, denn mitunter zeigen sich auch Geistwesen. Das kann mit jedem Spiegel passieren. Besonders aufpassen sollte man aber beim Kauf eines gebrauchten Spiegels auf dem Flohmarkt oder beim Antiquitätenhändler. Da können Dinge, Wesen und Ereignisse anhaften, die man sich nicht freiwillig ins Haus holen würde.

Schwarzer Spiegel für Jenseitskontakte und Orakel

Es gibt aber auch den schwarzen Spiegel. Das ist ein schwarzer Obsidian, der spiegelblank poliert ist. Obsidian ist ein steinartiges Gas, das bei Vulkanausbrüchen entsteht. Obsidian-Spiegel wurden schon 6000 v. Chr. in der Türkei genutzt und die Azteken in Südamerika haben solche Spiegel vor etwa 500 Jahren hergestellt. Wozu? Für Kontakte mit Geistern, Engeln und für das Wahrsagen.

Wahrsager, Schamanen, Hexen und Magier sehen in dem Spiegel z.B. Wesen, Bilder und Orte. Das sind Nachrichten, die interpretiert und als Botschaft auf den Punkt gebracht werden. Ein berühmter Wahrsager, der den schwarzen Spiegel verwendete, war Nostradamus. In der spirituellen Arbeit wird der schwarze Spiegel für Rituale, zur Meditation und auch als Schutz vor negativen Einflüssen, wie etwa Anhaftungen, Besetzungen, Flüche und Verwünschungen, genutzt.

Spiegel können auch schützen

Schon mal gesehen? Kopftücher mit Spiegelplättchen werden z.B. auf Märkten in arabischen Ländern angeboten. Touristen greifen da gerne zu, aber das ist nicht der Grund für dieses Design. Die Spiegelplättchen sollen vor dem bösen Blick schützen.

Spiegel wurden auch von Schamanen in der Mongolei zum Schutz genutzt. Sie nahmen nur Kontakt zur Geisterwelt auf, wenn sich an ihrer Kleidung kleine Spiegel glitzerten, die vor negativen Energien und Besetzungen schützten. Auch Wissen kann hilfreich sein: Wer weiß, dass Dämonen, Werwölfe und Vampire kein Spiegelbild haben, ist im Vorteil, weil er den Feind identifizieren kann.

Am Anfang war das Bild im Wasser – auch für Hunde

Historisch gesehen faszinierte anfangs das Spiegelbild im Wasser die Menschheit. Wir erleben das mit unseren Haustieren. Mein Hund Paulchen sah sich im Wasser und verbellte sich selbst. Allerdings lernte er schnell, dass das kein anderer Hund ist. Schließlich riecht ein Spiegelbild nach nichts und es reagiert nicht wie gewünscht.

Symbol für Eitelkeit und Selbsterkenntnis

Etwa 3000 v. Chr. nutzten die alten Ägypter polierte Bronze als Handspiegel. Um 400 v. Chr. tauchten in Griechenland Metallspiegel auf. Apropos Griechenland: In der griechischen Mythologie hatte sich Narziss in sein Spiegelbild verliebt und sehnte sich zu Tode nach dessen Liebe. Ihm haben wir es zu verdanken, dass der Spiegel zum Symbol für Eitelkeit wurde.

Der Spiegel steht auch für die Selbsterkenntnis. Manchmal wird einem der Spiegel von anderen Leuten vorgehalten, die sich ähnlich wie wir verhalten. Sie zeigen uns unsere Eigenheiten oder Fehler. Auch Tiere spiegeln ihre Menschen, wenn sie z.B. deren Angst, Trauer, Unruhe oder Aggression übernehmen.

Spiegel in Schlössern und auf Volksfesten

Ab dem 14. Jahrhundert eroberten die Glasspiegel Europa und die Herzen der Adligen. Im französischen Schloss Versailles entstand im 17. Jahrhundert eine Galerie mit 300 Spiegel. Das war die erste Spiegelgalerie in Europa und König Ludwig II. wollte auch so etwas haben. Deshalb ließ er 1878 in Schloss Herrenchiemsee (Bayern) eine noch größere Spiegelgalerie errichten. Wenn schon, denn schon…

Später wurden auf Volksfesten gerne Spiegel eingesetzt: Erinnern Sie sich an den Spiegel-Irrgarten und an die Spiegel, die den Betrachter verzerrten oder gar auf den Kopf stellten? Das ist die Spaß-Spiegelgalerie für alle, die kein Schloss haben.

Spiegelscherben bringen Unglück: Salz kann helfen

Nach wie vor präsent ist der Aberglaube: Zerspringt ein Spiegel in Scherben, dann bringt das 7 Jahre Unglück, eine Trennung oder den Tod eines Verwandten. Die gute Nachricht: Wer Salz über die linke Schulter nach hinten wirft, trifft den Teufel und weil der Salz gar nicht mag, ist das böse Orakel aufgehoben. Salz ist im spirituellen Bereich reinigend und schützend. Teufel, böse Geister, Dämonen und Kobolde können einen Salz-Schutzkreis oder eine Salz-Linie nicht überwinden. Wer im Kreis oder hinter der Linie steht, ist vor dem Bösen sicher.

Ein verhüllter Spiegel lässt die Seelen reisen

Bei einem Todesfall hat man im Judentum von jeher den Spiegel im Totenraum mit einem Tuch verdeckt, damit die Seele wandern kann. Das Tuch vor dem Spiegel hält böse Wesen fern, die Seelen stehlen. Der Gedanke, dass aus dem Spiegel nicht nur Gutes heraus kommen könnte, hat einen berühmten Angsthasen geplagt. Papst Johannes Paul XXII. hat sich vor Spiegeln gefürchtet. Er glaubte, dass Zauberer den Teufel durch den Spiegel schicken, der ihn dann angreifen würde.

Jetzt würde ich gerne Mäuschen spielen und nachsehen, mit welchen Gedanken und Gefühlen Sie das nächste Mal in den Spiegel schauen. Welche Frage stellen Sie sich: Spieglein, Spieglein an der Wand, nimmst Du mich mit in ein anderes Land? Reicht mir das Gute oder das Böse die Hand? Oder geht es doch nur um das Gewand? Was auch immer Ihnen beim Blick in den Spiegel durch den Kopf geht, hinterfragen Sie es ruhig mal. Es kann nicht schaden. Text/Foto: Marion Friedl