Es gibt Orte, die haben etwas Geheimnisvolles, Mystisches und Faszinierendes. Der Untersberg im Berchtesgadener Land (Bayern) ist so ein Ort. Er beherbergt eisige Welten, Zwerge hüten Schätze und Schamanen huldigen „ihren““ heiligen Berg.
Auf den Spuren von Höhlengeistern und sterbenden Dohlen
Von jeher lockte das Innere des Berges Forscher an, denn der Untersberg ist ein geheimnisvoller Ort mit Teufelslöchern, spirituellen Kraftorten, Kultstätten und heilendem Mariengarten. Er gilt auch als Zwischenwelt, in der sich Verstorbene aufhalten. Seit 1874 haben Forscher einzigartige Schönheiten und Wildheiten entdeckt: Canyons, Wasserfälle, Kriechtunnel und senkrechte Schächte sind schon beeindruckend, aber es geht noch besser: Dieser Berg bietet einen Dom aus Eis, wachsende Kaiserbärte, sterbende Dohlen, schlafende Bräute, unheimliche Höhlengeister und fleißige Zwerge, die Schätze hüten. Der Untersberg ist ein sagenumwobener Mythos mit faszinierendem Innenleben.
Ein hundertjähriger Schlaf und ein von Zwergen bewachter Schatz
Der Untersberg liegt zwischen Deutschland und Österreich: Nah an Berchtesgaden und nah an Salzburg. Er punktet mit vielen Legenden: Kaiser Karl der Große soll dort bewacht von Raben an einem Marmortisch so lange geschlafen haben, bis sein weißer Bart sieben Mal um den Tisch gewachsen ist. Danach zog er in die Schlacht und errichtete ein neues Reich. Erzählt wird auch von einem Lazarus Aigner aus Bad Reichenhall, der 1529 im Inneren des Unterbergs Kaiser, Könige und Fürsten gesehen haben will.
Dann wäre da noch die Geschichte über eine Braut und ihre Hochzeitsgäste, die in den Untersberg gelockt worden sein sollen. Sie aßen, tranken und wurden so müde, dass ihr Verdauungs-Nickerchen stolze 100 Jahre lang gedauert hat. Außerdem bewachen – vielleicht heute noch – Zwerge im Berg sagenhafte Schätze. Und dann sind da noch die Dohlen: Sie spüren, wenn ihr letztes Stündlein schlägt. Dann fliegen sie in den Untersberg und sterben im Dohlen-Friedhof. Ein Dohlen-Hospiz sozusagen und dass dies kein Humbug ist, beweisen die Vogelknochen in der Höhle.
Heiliger Berg der Alpenschamanen
Für Schamanen ist der Untersberg ein heiliger und zugleich heilender Berg. Die heilenden Kräfte der Natur entfalten in den Pflanzen und der reinen Luft nicht nur in den Höhen des Unterbergs ihre Wirkung, sondern auch in einem Mariengarten am Fuße des Bergs. Dieser mächtige Berg ist ein wichtiger Treffpunkt für Rituale der Alpenschamanen und auch anderweitig energetische Arbeitende nutzen die einzigartigen Energien des Bergs. Der Untersberg gilt als das Herz-Chakra von Mutter Erde. Die Alpenschamanen lassen bei ihren Ritualen Trommeln, Klangschalen und Rasseln sprechen. Anrufungen, Gebete und Räucherungen dienen meist der Reinigung und sollen Stärke verleihen. Es werden die vier Elemente gehuldigt und die Natur in den Mittelpunkt gestellt.
Gefährliche Zeitlöcher und bittere Rache
Zwei Gesichter hat der Untersberg und man kann ihm durchaus eine duale Seele zuschreiben. Ein Berg mit Seele? Das hat nicht jeder Berg, aber dieser einzigartige Berg hat es vielleicht. Zumindest liegt der Verdacht sehr nah. Es ist ein Berg der Gegensätze wie Licht und Schatten. Das Eine kann nicht ohne das Andere. Man sollte sich besser nicht mit ihm anlegen, denn der Untersberg steht für Gut und Böse. Da sind die heilsamen Kräfte der Natur und die reinigende Wirkung der Energien, aber der Alpenschamane und Autor Rainer Limpöck weiß auch von der anderen Seite des Bergs. Genauer gesagt von zwei Bauern, die Steine entfernen wollten. Heilige Steine von einem heiligen Berg wohlgemerkt. Das konnte nicht gut gehen: Sie wurden krank – einer blieb gelähmt und einer starb.
Zufall? Rache? Wer weiß das schon so genau. Deshalb ist Vorsicht auf jeden Fall besser als Wagemut. Schließlich berichtet Limpöck auch von Zeitlöchern auf dem Untersberg. Wenn es blöd läuft, fällt man in so ein Zeitloch rein und verschwindet. Es kann Jahrzehnte dauern, bis man dann von der Unterwelt in die Oberwelt wechseln darf. Und wer will das denn?
UFO’s und weiße Frauen Geistern herum
Die Frage ist natürlich wer oder was hinter so einer üblen Zeitreise steckt? Rund um den Untersberg wurden schon UFO’s gesichtet, Lichterscheinungen, wie etwa überirdische Lichtkugeln (Orbs), sollen immer wieder auftauchen und dann sind da noch mystische Steinwesen, herum geisternde weiße Frauen und die Göttin Percht, mit der man es sich ebenfalls nicht verscherzen sollte. Sie wohnt in einem Holunderbusch auf dem Untersberg und wehe, einer säbelt so einen Busch um. Dann wird sie aber sauer. Sie lachen? Dann warten Sie mal ab, was noch kommt.
Die Göttin Percht sollte man nicht erzürnen
Die Göttin Percht wird auch sauer, wenn es ungerecht zugeht. In den Rauhnächten (25.12. bis 6.1.) steigt die Percht hinunter ins Tal und überprüft die gerechte oder ungerechte Lage. Wenn ihr etwas nicht gefällt, merkt man das am aufbrausenden Sturm. Und das sind Stürme, die es in sich haben. Die reißen alles um, was nicht niet- und nagelfest ist und mitunter werden sogar Bäume entwurzelt.
Die Percht schützt Frauen und Kinder, aber sie erschreckt die Menschen auch gerne. Deshalb tut sie sich im Winter gerne mit den zotteligen und gehörnten Perchten zusammen. Das sind schauderliche Wesen, die mit Masken, Lärm, wilden Sprüngen, kirrenden Ketten und manchmal auch mit Feuerkugeln dem Winter einheizen, um ihn zu vertreiben. Abgesandte von Wotan, der mit seinen schrecklichen Kumpels ebenfalls über den Himmel und das Land fegt mit einem Wind, den man die wilde Jagd nennt. Es ist nicht auszuschließen, dass die Göttin Percht höchstpersönlich bei einem der berühmten Perchtenläufen auftaucht. Man erkennt sie leicht: Ihr Kleid ist vorne weiß und hinten schwarz. Licht und Schatten, Gut und Böse eben. Rund um den Untersberg führt ein fast 60 Kilometer langer Perchtweg: Pilger wandern auf diesem Weg zu Kraftorten, Kultplätzen, Quellen und Heilstätten.
Der Untersberg als Wetterprophet
Die Menschen in der Stadt Freilassing haben den Untersberg vom Wohnzimmerfenster stets im Blick. Ihr „Hausberg“ liefert ihnen den Wetterbericht frei Haus. Man muss nur die Wolken beim Berg beobachten. Sind sie direkt über dem Berg, heißt es: „Hat er einen Hut, wird das Wetter gut.“ Hängen die Wolken jedoch quer in der Mitte des Bergs, lautet die Wettervorhersage: „Hat er einen Sabel, wird es miserabel.“ Und wenn der Untersberg in Regen- und Nebelwolken versinkt und nicht mehr zu sehen ist? Na ja, da gibt es keinen Spruch, aber dann ist sowieso alles zu spät. Es regnet bis zum Abwinken. Weltuntergangsstimmung eben…
Das eiskalte Innenleben des Untersbergs
Der Untersberg hat eine eiskalte Seite. Selbst im heißen Hochsommer ist es im Inneren des Untersbergs eiskalt. Die Rede ist von der Schellenberger Eishöhle. Sie liegt 1.570 Meter über dem Meeresspiegel und gilt als einzige und größte Eishöhle Deutschlands. Das Bayerische Landesamt für Umwelt hat dieses Geotop mit seinem Eisvolumen von 60.000 Kubikmetern als „besonders wertvoll“ eingestuft.
Mystische Welt aus Eis
In der Eishöhle offenbart sich eine mystische Welt: Bis zu 30 Meter dick ist das Eis in der Schauhöhle, die jährlich bis zu 10.000 Besucher anlockt. Staunende Augen, offene Münder und so manches Ah und Oh sind da vorprogrammiert. Die Welt aus Eis bietet eine faszinierende Tropfsteinhöhle, geheimnisvolle Eisformationen, rätselhafte Eismännchen, einen malerischen Eissee, einen bizarren Eiswasserfall und den bereits erwähnten Dohlen-Friedhof. Eine Eis-Figur ist so schön anzusehen, dass sie Eis-Fee genannt wird. Nach seinem Entdecker Alexander Mörk benannt wurde der Mörk-Dom, der mit einem Altar, einer Kanzel und einem Beichtstuhl aus Eis ausgestattet ist.
Laut der Gemeinde Marktschellenberg wurden in der 55 Meter tiefen Fuggerhalle dieser eisigen Bergwelt Pollenanalysen durchgeführt und das Alter dieser Halle auf rund 3.000 Jahre datiert. Erstmals erwähnt wurde die Schellenberger Eishöhle 1826 und ab 1874 waren diverse Forscher auf 3,6 Kilometern Länge den eisigen Geheimnissen auf der Spur. Nur 500 Meter davon sind für Besucher begehbar.
Das Eis wächst nur im Herbst
Der Untersberg ist zweifelsohne ein geheimnisvoller Ort. Ein Geheimnis wurde allerdings gelüftet: Entstanden ist die Eishöhle durch Verwerfungen im Kalkgebirgs-Stein. Einst hoben und senkten sich die Schichten und dabei wurden Brüche, Kluften und Spalten verursacht. Einsickerndes kohlensäurehaltiges Wasser bildeten Hohlräume und eingestürzte Decken und Wände formten die Höhle. Eine Kaltluftschicht hält die warme Luft von draußen ab. Das gewaltige Eis schmilzt auch im Sommer nicht und im kühleren Herbst wächst das Höhleneis. Im Winter aber legt das Wachstum eine Pause ein, denn der Frost lässt kein Wasser nachfließen.
Na, wie wäre es mit einem Ausflug zum Untersberg im Berchtesgadener Land? Nur zu, aber treten sie nicht versehentlich auf einen wachsenden Bart, erschrecken Sie kein fleißiges Zwergerl und schön brav sein, damit Ihnen die Percht nicht begegnet. Text/Foto: Marion Friedl