Ob am Fluss, in den Bergen oder an Spazierwegen: Immer mehr Steinmännchen begegnen uns in der Natur. Doch was wollen sie uns sagen? Steinmännchen sind sowohl Orientierungshilfen als auch kleine spirituelle Kunstwerke.
Praktische Wegweiser und Ersatz fürs Gipfelkreuz
Im Herbst geht die Wandersaison los. Da wird man sie wieder vermehrt antreffen. Die Steinmännchen sind laut Wikipedia kleine Wegweiser. Sie zeigen in Bergen, Wüsten und Steppen die Richtung an und sind auch bei Nebel und Schnee praktische Orientierungshilfen. Aber sie markieren nicht nur Wege und Orte, sondern haben auch religiöse und spirituelle Bedeutung.
Bleiben wir zunächst in unseren Gefilden. Besonders große Steinmännchen – pardon Steinmänner – findet man zum Beispiel auf Berggipfeln. Sie ersetzen im Alpenraum das Gipfelkreuz. Kleinere Männchen zeigen uns: Aha, da fühlte sich jemand verbunden mit der Natur, dem Ort und den Traditionen.
Verwendet werden nicht mitgebrachte Steine, sondern nur Steine, die direkt vor Ort gesammelt werden können. Mindestens drei Steinschichten sollten es sein, damit sichtbar wird: Da hat nicht per Zufall die Natur einen Stein auf den anderen gelegt, sondern es hatte ein Mensch die Finger im Spiel. Kegelförmig türmen sich die Steine nach oben wie ein Turm und so mancher Wanderer legt einen Stein dazu. So wächst das Steinmännchen mit der Zeit.
Meditieren mit Steinmännchen: Kraft, Balance, Wege und Miteinander
Sie machen Wanderungen, Spaziergänge und auch das Sonnenbad am Fluss zu einem spirituellen Erlebnis. Die gestapelten Steine stehen für die Balance. Das Steinmännchen berichtet von der Kraft der Steine und dass in jedem Stein eine Botschaft steckt, die ihm der Wind oder das Wasser zugetragen hat.
Man sollte der Einladung zum Innehalten folgen und das Wachstum des Männchens mit einem zusätzlichen Stein unterstützen. Das steht für das Miteinander, denn auch die anderen Steine wurden von Baumeistern gestapelt. Und weil das Steinmännchen auch ein Wegweiser ist, kann man auch nach seinem eigenen Weg und seiner Orientierung im Leben suchen. Begegnet man auf dem Gipfel einem großen Steinmann, kann man gut und gerne über die eigenen Ziele und Erfolge nachdenken und sich fragen, wie man berghohe Hindernisse im Leben überwinden kann. Steinmännchen und Stenmänner bieten also viele Anregungen für die Meditation.
Wo Geister wohnen und Götter verehrt werden
Weltweit sind Steinmännchen in unterschiedlicher Größe und Optik zu finden. Sie werden manchmal sogar mit bunten Bändern, Tierhaaren oder Hörnern dekoriert. Schon im antiken Griechenland gab es die Steinmännchen und Steinmänner. Sie wurden zu Ehren des Weggottes Hermes errichtet.
Überall sind Steinmännchen willkommene Orientierungshilfen und Markierungen – sogar in der Antarktis. Aber es kommen religiöse und spirituelle Bedeutungen hinzu: Für Buddhisten sind Steintürme heilig. Im Tibet werden sie von guten Geistern bewohnt, wie etwa Schutzgeister von Familien, Orten und Klöstern. Gleichzeitig sind die Stein-Kunstwerke ein Stoppschild für böse Geister: Bis hierher und nicht weiter.
In Island schützen die Steinmännchen vor Trollen und Unwettern. Verschiedene Indianer-Stämme in Nordamerika nutzen die Steinmännchen für Gebete und Verehrungen. In Südamerika ist so ein steinerner Weggefährte eine Kultstätte für die Gottheit Pachamama. Diese Göttin schützt die Natur, Mutter Erde und alles Leben auf der Erde. Außerdem vermittelt sie zwischen Diesseits und Jenseits. Schließlich hütet sie auch den Kosmos und ist für Raum und Zeit zuständig.
Dem Naturschutz zuliebe nicht zu hoch stapeln
Da sieht man es mal wieder: Manche Dinge, über die man am Wegesrand „stolpert“ haben mehr Bedeutung als man denkt. Da haben nicht nur Kinder Steintürmchen gebaut oder sich irgend jemand die Zeit beim Sonnenbaden vertrieben. Nein, das sind Botschafter und Mitmach-Männchen.
Vor allem bei kleinen Steinmännchen kann man gerne einen Stein drauf legen. Aber man sollte nicht zu hoch und zu massiv stapeln. Es gibt auch riesige Stein-Kunstwerke, die nicht mehr an Männchen oder Türmchen, sondern eher an große Hügelgräber erinnern. Für die braucht man viele große Steine aus der Umgebung, die dann wieder bei Starkregen an wichtigen Stellen fehlen. Massive Steine und Felsen haben in der Natur auch die Aufgabe, z.B. Sturzbäche, Hochwasser und Murenabgänge zu bremsen. Also bauen wir eben Steinzwergerl für eine spirituelle Zwiesprache. Die sind auch viel schöner als große Steinhaufen und astronomische Kunstwerke wie Stonehenge wurden schon gebaut. Text: Marion Friedl / Foto: No longer here Pixabay